[OTZ] Kultur auf dem flachen Land: Rege Diskussion auf Burg Ranis

„Man will“, sagte der Schleizer Landrat Thomas Fügmann (CDU), „auch im ländlichen Bereich abends nach der Arbeit Kultur erleben, ohne lange fahren zu müssen.“ Er brachte damit in einfachen Worten das Anliegen auf den Punkt, dem am Samstag eine kulturpolitische Debatte auf Burg Ranis gewidmet wurde.
Ranis. Nämlich, dass die freien Kulturvereine, die anspruchsvolle Literatur, Musik oder Kunst auf das flache Land bringen, genauso wie die Kulturträger in der großen Stadt verlässliche finanzielle Perspektiven brauchen.

„Wir möchten keinem etwas wegnehmen“, betonte Andreas Berner mehrfach. „Wir wollen nur Gleichberechtigung“, sagte der Vorsitzende des Lese-Zeichen e. V. mit Sitz in Jena sowie Literaturburg in Ranis, ein Verein, der bei thüringenweit 220 Veranstaltungen pro Jahr an die Grenze des mit seinen Mitteln Machbaren gelangt ist. „Wir arbeiten“, sagte Berner, „mit 10 000 Euro und 15 000 Euro und müssen alles begründen, während andere per se Dinge in die Hand bekommen“, respektive Millionen. „Wenn Kultur so wichtig ist für die Gesellschaft, warum ist sie für den Staat nur eine freiwillige Leistung?“, fragte er die Politiker, die mit ihm im Podium saßen.

„Es gibt ein Bundesland, da ist das nicht so“, sagte Hans-Jürgen Döring , Dichter und kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, nämlich Sachsen. „Wir sind eigentlich das Kulturland mit der großen Vielfalt!“, warf er ein. Doch während Thüringen 1,3 Prozent des Landeshaushaltes für Kultur vorsehe, seien es in Sachsen 3,9 Prozent. Trotzdem könne Thüringen anderen Bundesländern noch als Beispiel dienen. „Bei dieser Haushaltslage halte ich es für unrealistisch, dass mehr durchgesetzt werden könnte“, bedauerte Döring.

In der Politik werden Kultur- und Sportförderung oft gegeneinander ausgespielt, erinnerte Dirk Möller , der am 1. Juli in die Linke-Fraktion des Thüringer Landtages nachrücken wird. „Mit den Kosten von zehn Kilometern Autobahn könnten wir die Thüringer Kultur für fünf bis zehn Jahre vernünftig finanzieren“, sagte er, um zu verdeutlichen, dass vielleicht Prioritäten neu gesetzt werden müssen. Kultur sollte, und da war er sich mit Döring einig, einen höheren Verfassungsrang bekommen.

„Mit der Staatskultur haben wir sehr schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte Martin Wolter, Kulturmanager auf Schloss Burgk, an die NS- und DDR-Zeiten erinnernd. Inhalte sollten Aufgabe der Bürgergesellschaft bleiben und der Staat sollte die Kulturförderung als Investition begreifen, zumal Literatur, Musik und Kunst ein Wirtschaftsfaktor seien.

Wolters Chef, Landrat Fügmann, versicherte, dass er „in keinster Weise“ in inhaltliche Dinge hineinreden werde. Vielmehr soll gerade Schloss Burgk mehr Spielraum erhalten, früher oder später aber auch „Ergebnisse“ nachweisen müssen. Fügmann war auch der Meinung, dass Kultur „nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern auch der Organisation“ sei. Diesen Ball nahm wiederum Wolter auf und war der Meinung, dass das Zusammenspiel der Kulturträger in der Region weiter ausgebaut werden müsse.

„Mehr auf die Inhalte als auf die Besucherzahlen schauen!“, konnte Dana Kern, Kulturreferentin der Stadt Meiningen, nur empfehlen. Denn die Besucher werden nicht mehr und die jetzigen könnten nur mit Niveau bei der Stange gehalten werden. Und statt Besitzstandwahrung sollte Öffnung für Neues im Kulturbetrieb die Devise sein. „Goethe und Schiller“, sagte Kern, „sind auch von Außen gekommen“, weil seinerzeit hierzulande die Bedingungen gestimmt hätten.

Weitere Denkanstöße lieferte Jens Kirsten, Geschäftsführer des Thüringer Literaturrates, der Thesen aus der im Frühjahr in München erschienenen Streitschrift „Der Kulturinfarkt Von Allem zu viel und überall das Gleiche Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubvention“ zur Diskussion stellte. Eine der spannendsten Thesen lautet: „Wenn sich Kultur auf ökonomische Begründungen einlässt, läuft sie Gefahr, sich selbst abzuschaffen.“ Martin Straub vom Lese-Zeichen e. V. empfahl den „Verwaltungsapparaten“, sich einmal über die Existenzbedingungen der meisten Schriftsteller und Künstler zu informieren, bevor sie halbwegs vernünftige Honorare als zu hoch schelten.

Sofort greifbare Ergebnisse hatte Berner als Moderator des etwa zweistündigen Meinungsaustausches im gepflegten Ambiente der Literaturtage freilich nicht erwartet. Den beiden Abgeordneten gab er allerdings auch folgende Frage auf den Weg: „Sollen wir jetzt vor dem Landtag zelten oder protestieren?“, damit sich etwas verbessere. Spätestens vor dem Landtag würde man dann wohl auch die Meinungen der Fraktionen von CDU, FDP und Grünen hören, die sich am Sonnabend nicht sensibilisieren lassen wollten für die Belange freier Kulturträger.

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